Rente wegen voller Erwerbsminderung

Die Rente wegen voller Erwerbsminderung

Im Leistungskatalog der Gesetzlichen Rentenversicherung spielen die Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit eine bedeutende Rolle. Ist ein Versicherter vor Erreichen einer Altersgrenze, welche einen Anspruch auf eine Altersrente begründet, aufgrund einer Krankheit oder Behinderung nicht mehr in der Lage, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, können die Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit den hierdurch entstehenden finanziellen Ausfall auffangen.

Bei den Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit wird im aktuellen Rentenrecht zwischen der Rente wegen voller Erwerbsminderung, der Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung und der Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit entschieden.

Zudem können noch die Erwerbsunfähigkeits- und Berufsunfähigkeitsrente geleistet werden; diese Renten begannen spätestens am 31.12.2000 und können daher (bei aktuellen Anträgen) nicht mehr genehmigt werden.

Anspruchsvoraussetzungen

Auf eine Rente wegen voller Erwerbsminderung besteht dann ein Anspruch, wenn ein Versicherter bis zur Vollendung seiner Regelaltersgrenze voll erwerbsgemindert ist und die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt. Zu Erfüllung der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen müssen in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit vorliegen und zugleich die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren erfüllt werden.

Die Erwerbsminderung im rentenrechtlichen Sinne

Im rentenrechtlichen Sinne liegt eine volle Erwerbsminderung dann vor, wenn Versicherte aufgrund einer Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, mindestens drei Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes noch tätig zu sein.

Eine Krankheit ist jeder regelwidrige Körper-, Geistes- oder Seelenzustand, der zu der Erwerbsminderung führt. Wodurch die Krankheit entstanden ist, ist im Zusammenhang mit der Erwerbsminderungsrente irrelevant. Behinderung ist jeder Körper- und Geisteszustand, der von der Regel abweicht und eine Beseitigung auch nicht absehbar ist. Eine genaue Abgrenzung einer Krankheit von einer Behinderung ist nicht möglich.

Dass die Erwerbsminderung aufgrund einer Krankheit oder Behinderung vorliegt, um einen Anspruch auf eine Erwerbsminderungsrente zu realisieren, zeigt, dass der Gesetzgeber Personen keinen Rentenanspruch zugestehen möchte, die aufgrund eines bestimmten Lebensalters oder einer z. B. fehlenden Wettbewerbsfähigkeit nicht mehr arbeiten können.

Für den Rentenanspruch ist noch die mögliche Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu beurteilen. Damit wird klargestellt, dass die Unmöglichkeit der Verrichtung einer Tätigkeit als Hausfrau beispielsweise keinen Erwerbsminderungsrentenanspruch nach sich ziehen kann. Als Erwerbstätigkeit wird nach der laufenden Rechtsprechung die Verrichtung von Arbeit zur Erzielung von Gewinn angesehen.

Die Erwerbsminderung muss auf nicht absehbare Zeit bestehen. Diese Voraussetzung ist dann erfüllt, wenn die Erwerbsminderung über einen zusammenhängenden Zeitraum von mindestens sechs Monaten besteht. Eine vorübergehend bestehende Erwerbsminderung führt daher noch zu keinem Rentenanspruch. Diese kürzeren Zeiträume fallen daher vorrangig in die Leistungszuständigkeit der Gesetzlichen Krankenversicherung, die hierfür die Leistung „Krankengeld“ den Versicherten zur Verfügung stellt.

Die Erwerbsunfähigkeit wird anhand der üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes beurteilt. Um diesen Punkt zu prüfen, darf der zuständige Rentenversicherungsträger daher nicht abstrakt auf den Arbeitsmarkt abstellen, sondern muss Tätigkeiten berücksichtigen, die es auf dem Arbeitsmarkt auch tatsächlich gibt.

Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen

Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen sind erfüllt, wenn die allgemeine Wartezeit und die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt werden.

Allgemeine Wartezeit

Zur Erfüllung der allgemeinen Wartezeit müssen 60 Kalendermonate (fünf Jahre) vor Eintritt der Erwerbsminderung vorhanden sein.

Besondere versicherungsrechtliche Voraussetzungen

Zur Erfüllung der besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen müssen in den letzten fünf Jahren (entspricht 61 Kalendermonate) vor Eintritt der Erwerbsminderung mindestens drei Jahre (entspricht 36 Kalendermonate) Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit vorhanden sein. Als Pflichtbeitragszeiten zählen in diesem Zusammenhang alle nach Bundesrecht gezahlten Pflichtbeiträge. Darunter fallen unter anderem Pflichtbeitragszeiten aufgrund einer abhängigen Beschäftigung oder Zeiten einer der Rentenversicherungspflicht unterliegenden Selbstständigkeit.

Höhe der vollen Erwerbsminderungsrente

Bei der Rente wegen voller Erwerbsminderung handelt es sich um eine – wie der Name bereits ausdrückt – volle Rente. Das heißt, dass mit der Rente der Entgeltausfall, welcher durch die Erwerbsminderung besteht, ausgeglichen werden soll. Dementsprechend beträgt der Rentenartfaktor für diese Rente 1,0. Die Höhe der Rente wird anhand des individuellen Rentenversicherungsverlaufs berechnet.

Verlängerung der Zurechnungszeit

Im Rahmen der Berechnung der Erwerbsminderungsrenten wurde in der Vergangenheit eine Zurechnungszeit bis zum vollendeten 60. Lebensjahr berücksichtigt. Dies ist eine rentenrechtliche Zeit, welche mit Entgeltpunkten bewertet wird. Mit dieser wird unterstellt, dass der Rentner bis zu diesem Lebensalter gearbeitet und entsprechende Entgeltpunkte „erwirtschaftet“ hätte. Diese Zurechnungszeit wurde bereits durch die Verbesserungen im Rahmen des RV-Leistungsverbesserungsgesetzes ab Juli 2014 auf das vollendete 62. Lebensjahr verlängert.

Künftig wird die Zurechnungszeit bei der Berechnung der Erwerbsminderungsrenten bis zum vollendeten 67. Lebensjahr berücksichtigt. Damit wird diese rentenrechtliche Zeit bis zur künftigen Regelaltersgrenze (diese liegt bei allen Versicherten der Geburtsjahrgänge ab 1964 einheitlich beim vollendeten 67. Lebensjahr) angerechnet.

Im Jahr 2018 – Jahr des Rentenbeginns – wird die Zurechnungszeit bis zum vollendeten 62. Lebensjahr und drei Monate und im Jahr 2019 bis zum vollendeten 65. Lebensjahr und acht Monate berücksichtigt. In den Jahren 2020 bis 2031 erfolgt eine sukzessive Anhebung/Verlängerung der Zurechnungszeit (immer abhängig vom Jahr des Rentenbeginns) wie folgt:

Bei Beginn der Rente im Jahr Zurechnungszeit bis (Lebensalter)
Jahre Monate
2020 65 9
2021 65 10
2022 65 11
2023 66 0
2024 66 1
2025 66 2
2026 66 3
2027 66 4
2028 66 6
2029 66 8
2030 66 10
ab 2031 67 0

Revisionsverfahren war beim Bundessozialgericht anhängig

Aufgrund der gesetzlichen Regelung, dass von der jeweils verlängerten Zurechnungszeit nicht die Bestandsrentner (sondern stets die Neu-Rentner) profitieren, wurde Revision beim Bundessozialgericht eingelegt. Ein Rentner klagte dagegen, dass bei ihm nicht die verlängerte Zurechnungszeit berücksichtigt wird, sondern nur die Zurechnungszeit, welche im Jahr des Rentenbeginns maßgebend war.

Begann beispielsweise die Erwerbsminderungsrente im Jahr 2018, wurde eine Zurechnungszeit bis zum vollendeten 62. Lebensjahr und drei Monate anerkannt. Bei einem Rentenbeginn im Jahr 2019 kam es bereits zu einer Berücksichtigung einer Zurechnungszeit bis zum vollendeten 65. Lebensjahr und acht Monate. Diese unterschiedlichen Zurechnungszeiten können in der Rentenberechnung zu einer Differenz führen, welche durchaus 100 Euro im Monat betragen können.

Das Revisionsverfahren war beim Bundessozialgericht unter dem Aktenzeichen B 13 R 24/21 R anhängig. Entschieden wurde hierüber per Urteil vom 10.11.2022. Der 5. Senat des Bundessozialgerichts konnte nicht bestätigen, dass ein Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot des Grundgesetzes vorliegt. In dem Urteil führte das BSG aus, dass der Gesetzgeber eine unterschiedliche Regelung auch aufgrund des erheblichen organisatorischen und finanziellen Mehraufwands schaffen durfte.

Hinzuverdienstgrenzen

Damit eine volle Erwerbsminderungsrente zur Auszahlung kommt, muss eine Hinzuverdienstgrenze beachtet werden. Wird also neben der Erwerbsminderungsrente noch ein Arbeitsentgelt, Arbeitseinkommen oder ein entsprechend vergleichbares Einkommen erzielt, muss geprüft werden, ob dies Einfluss auf die Rentenzahlung hat. Bei der Hinzuverdienstgrenze handelt es sich zwar nicht um eine negative Anspruchsvoraussetzung, ein Hinzuverdienst kann jedoch die Rentenzahlung im Extremfall vollständig zum Ruhen bringen; es kann also zu einer sogenannten Null-Rentenzahlung kommen.

Die Hinzuverdienstgrenzen wurde ab Januar 2023 vollständig neu geregelt. Seit dem Jahr 2023 wird die Hinzuverdienstgrenze bei den Renten wegen voller Erwerbsminderung aus drei Achtel der 14fachen monatlichen Bezugsgröße errechnet. Damit gilt im Jahr 2023 eine Hinzuverdienstgrenze von 17.823,75 Euro.

Die Hinzuverdienstgrenze wird jährlich erhöht bzw. der Einkommensentwicklung angepasst, da in der Berechnungsformel die Bezugsgröße berücksichtigt wird. Damit handelt es sich ab dem Kalenderjahr 2023 um eine dynamische Hinzuverdienstgrenze.

Bei Überschreiten dieser Hinzuverdienstgrenze wird der übersteigende (monatliche) Betrag zu 40 Prozent auf die Erwerbsminderungsrente angerechnet.

Bisheriges Recht bis zum Kalenderjahr 2022

Auch für die Zeit ab Juli 2017 kam es zu einer vollständigen Neuregelung bei den Hinzuverdienstgrenzen. Die bis dahin geltende monatliche rentenunschädliche Hinzuverdienstgrenze von 450,00 Euro war nicht mehr von Bedeutung bzw. wurde nur noch bis Juni 2016 berücksichtigt.

Ab Juli 2017 (bis Dezember 2022) gab es eine kalenderjährliche Hinzuverdienstgrenze von 6.300,00 Euro. Bei der genannten Hinzuverdienstgrenze von kalenderjährlich 6.300,00 Euro handelte es sich um eine einheitliche Grenze, welche für alle Rentner mit Anspruch auf eine volle Erwerbsminderungsrente und unabhängig vom Rechtskreis (Rechtskreis West bzw. Rechtskreis Ost) galt.

Rente muss beantragt werden

Eine Rente wegen voller Erwerbsminderung muss beim zuständigen Rentenversicherungsträger beantragt werden. Hierfür stellen die Rentenkassen entsprechende Antragsformulare zur Verfügung. Nachdem der Rentenantrag gestellt wurde, werden von der Rentenkasse die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen geprüft. Ob die medizinischen Voraussetzungen (Vorliegen einer Erwerbsminderung im erforderlichen Umfang) vorliegen, wird durch einen Gutachter beurteilt. Die Erstellung eines Gutachtens wird ebenfalls vom Rentenversicherungsträger veranlasst.

Rechtsquelle: § 43 SGB VI

Beratung durch registrierte Rentenberater

Bei den Erwerbsminderungsrenten handelt es sich um eine für die Versicherten sehr wichtige Leistung, welche – nicht zuletzt aufgrund der komplexen Rechtsvorschriften und zahlreichen Besonderheiten – sehr beratungsintensiv ist. Ein kompetentes Beratungsangebot stellen hier die nach dem Rechtsdienstleistungsgesetz registrierten Rentenberater zur Verfügung. Diese Experten, die unabhängig von den Rentenversicherungsträgern arbeiten, können Sie auf Rentenberater24.com finden und kontaktieren.

Die Rentenberater stehen einerseits für ein Beratungsgespräch, andererseits auch für die Durchführung von Widerspruchs- und Klageverfahren (Sozial- und Landessozialgerichte) zur Verfügung, sollte über einen Antrag auf eine Erwerbsminderungsrente negativ entschieden worden sein.

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